Vorträge, Workshops & Moderationen

Vorträge (Ankündigungstexte unten):
  • „Hass den Sexismus, aber hab gefälligst Sex?“
  • „Zum Fortleben sexueller Gewalt in aufgeklärten und linken Kreisen“
  • „Die Angst vor den Feministinnen“
  • „Antifa, Macker, Patriarchat“  – Antifaschismus und Männlichkeit“
  • „Rape Culture und Intersektionalität: Wie geschlechtliche und sexuelle Fragen Grenzziehungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden regulieren“
Moderation von Podien:
Vortrag: „Hass den Sexismus, aber hab gefälligst Sex?“
Für viele Heranwachsende stellt die linke Szene mit ihrem sexpositiven Feminismus, vielfältigen Liebes- und Begehrensformen, ihrer Queerness und Polyamorie einen Sehnsuchtsort dar, der so anders sein soll als die Enge von Herkunftsfamilie und Schulklasse. Mit dem linken Coming-of-age sollen die alten Sitten abgestreift und ein erfülltes Leben in politischer Rebellion einerseits, sexuellen und romantischen Abenteuern andererseits gefunden werden. Doch die Tiefe, mit der sich patriarchale Strukturen in unsere Gefühle und unsere Fähigkeiten und Unfähigkeiten eingegraben haben, Sex und Beziehungen zu managen, wird unterschätzt. Allzu oft, vor allem für junge Frauen, verwandeln sich die eigenen Twenties in linken Kreisen in einen Albtraum, der von missbräuchlicher Beziehung zu Übergriff und dann in lang anhaltende psychische Belastung stolpert. Der Feminismus hat sein Image, frigide und sexfeindlich zu sein, weitgehend abgestreift – doch zu welchem Preis? „Have Sex, Hate Sexism“ lauet eine weit verbreitete Stickerparole in linken Communities – eine Formulierung, die nahtlos an Imperative des liberalen Feminismus anschließt, der von Frauen nicht nur Bestleistungen in jeder Disziplin verlangt, sondern auch, dabei stets sexy und begehrenswert zu sein. Es sollen massig sexuelle Erfahrungen „zum Spaß“ gesammelt und so sich und der Welt bewiesen werden, dass man selber zur Gruppe der emanzipierten Frauen dazugehört, für die die Geschlechtszugehörigkeit kein Hindernis mehr darstellt. Doch die massive Verbreitung von Erfahrungen mit sexuellen Grenzverletzungen und Beziehungsgewalt, die linke Frauen und Feminist*innen äußern, zumeist begangen durch die eigenen Genoss*innen, meistens aber Männer, sprechen eine andere Sprache. Hat der sexpositive Feminismus die Sexualität von Frauen, Enbies und auch von Männern befreit, oder nur eine glitzernde Schicht Lack auf das alte Elend aufgetragen, unter der sich glamourös tausendfaches Scheitern und Leiden verbirgt? Im Vortrag sollen diese Spannungsverhältnisse auch biographisch dargestellt und diskutiert werden, welche Verantwortung inzwischen ältere Feminist*innen eigentlich für den politischen Nachwuchs in Fragen feministischer Sexualkultur tragen – oder tragen sollten.
Vortrag:  „Zum Fortleben sexueller Gewalt in aufgeklärten und linken Kreisen“
Aufgeklärte Kreise und linke Milieus gerieren sich gern als Gegenpol zu Phänomenen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Antisemitismus. Schilder in linken Läden lassen etwa verlauten, Sexismus werde hier schlicht nicht geduldet. Doch warum hält sich etwa sexuelle Gewalt so hartnäckig in diesen Kreisen? Davon zeugen nicht zuletzt die ständigen Auseinandersetzungen, die vor allem Frauen zum Beispiel mit ehemaligen Partnern führen müssen. Diese Konflikte bilden jedoch nur die Spitze des Eisbergs dessen, was in den Betten dieses „aufgeklärten Milieus“ vor sichgeht. So ist das Erleben von Mitgliedern linker Szenen stark geschlechtlich getrennt: während sich Männer frei heraus um wichtige politische Anliegen, Demos, Aktionen und Strategien kümmern können, befinden sich viele linke Frauen und Queers in einem ständigen Beziehungskampf um Anerkennung, begehbare Räumlichkeiten und um ein soziales Netzwerk, in dem sie sich einfach nur sicher aufhalten können. Diesen Kampf führen sie nicht selten sogar gegeneinander.
Der Widerspruch zwischen antisexistischem Selbstbild und sexistischer Lebenspraxis liegt auch an der massiven Unterschätzung der Tiefe, mit der sich sexistische Gesellschaftsstrukturen in Denken, Fühlen und Handeln von uns allen eingraben. Auch eine weitgehende Unaufgeklärtheit über psychologische Grundlagen stellt ein Hindernis dar, um von progressiver Selbstinszenierung zu einem Handeln fortzuschreiten, das sexistische Normalitäten wirklich transformieren kann. Diese Diagnose bezieht sich ausdrücklich auch auf den sich als feministisch wähnenden Teil der Szene: mit Konzepten wie einer „sexualisierten Gewalt“, in der man keinerlei Sexualität, jedoch ausschließlich männliches Machthandeln zu erkennen glaubt, werden realistische Gegenkonzepte verunmöglicht. Entweder, sexistisches Handeln gilt als dermaßen dämonisch, dass man seinen Freunden, Bekannten und sich selbst solche Vorwürfe nicht zumuten möchte – oder, grenzüberschreitende Personen werden als dermaßen dämonische Täter stigmatisiert, dass ihr angestrebter Ausschluss aus der Szene vorwiegend der Gesichtswahrung der „antisexistischen“ Kreise dient. So werden Betroffene faktisch allein gelassen und die Mitschuld der Szene an einem Sündenbock gesühnt, dem man sich mitsamt der eigenen Verantwortungpraktischerweise entledigen kann. Allein: in den meisten Fällen gelingt dieses Anliegen dann nicht ein mal, wodurch der Schaden für Betroffene umso größer wird und zu einem eklatanten Vertrauensverlust in soziale Beziehungen führt.
Im Vortrag sollen psychologische und soziologische Grundlagen hinter Phänomenen wie sexueller und sexualisierter Gewalt geschärft und die besondere Bedeutung von Männern herausgearbeitet werden. Es wird sich zeigen, dass die Widersprüche, die die DNA des Konzepts der Männlichkeitbilden, notwendig und immer wieder zu Angriffen auf Frauen, Trans, Schwule, Lesben, Nichtbinäre usw. führen müssen. Besonders perfide: derlei Angriffe werden oft nicht mal bewusst als solche geplant und durchgeführt, sondern ergeben sich unterhalb der Schwelle des Bewusstseins aus einer archaischen Normalität, der niemand von uns gänzlich zu entfliehen vermag. Im Vortrag wird darum für eine antisexistische Praxis plädiert, die Konsensualität füralle Lebensbereiche vorschreibt und gelingende Beziehungsarbeit und vorausschauende Verantwortung in Beziehungsnetzwerken gegenüber Awareness-und Unterstützer*innengruppen vorzieht. Das Bild des Täter-Dämons müsste dann ersetzt werden durch die Einsicht in die tiefe persönlicheVerstrickung, die wir alle mitbringen – als selber grenzüberschreitende Person einerseits und als sozialer Faktor andererseits, als der wir die Übernahme von Verantwortung hemmen und abwehren. Sei es, weil wir Täter schützen oder sei es, weil wir sie zur Hölle jagen wollen.

Vortrag: „Die Angst vor den Feministinnen“

Linke Männer haben Angst vor Feministinnen. Doch gesteht man sich eine Furcht nicht ein und verdrängt sie, zum Beispiel, weil sie dem positiven Selbstbild als nettem Typen oder Profeministen widerspricht, handelt man nicht weniger in ihrem Bann. Dabei wäre allein die aggressionsbereite Angst vor Frauen, die Männern im Patriarchat ganz generell gemein ist, schon schlimm genug. Unter Linken allerdings verfügen Frauen nicht bloß durch ihre Körper und ihre weibliche Sexualität über etwas, das Männer zugleich anzieht, sie aber auch in ihren maskulinen Autonomiewünschen verunsichert. Hier sind sich Frauen als auch andere marginalisierte Geschlechter darüber hinaus ihrer objektiv beschissenen gesellschaftlichen Lage bewusst. Sie organisieren sich, kämpfen kollektiv gegen Sexismus, sexuelle Gewalt und männliche Dominanz. Und weil das so ist, reicht es für linke Männer nicht mehr aus, das Patriarchat stets nur bei anderen, schlechteren, fremden, rechten oder rassifizierten Männern zu verorten. Sie spüren: Das eigene zwielichtige Verhältnis zu Frauen und Sexualität steht im Scheinwerferlicht. Und kann Konsequenzen haben. Darum bekennen sich linke Männer zwar öffentlich artig zum Feminismus und finden laute Frauen auch irgendwie ganz gut, bekämpfen sie jedoch hintenrum durch allerlei Mittel: durch Passivität, Sturheit und Selbstmitleid bis hin zur männerbündischen Intrige. Im Vortrag sollen einige Beobachtungen und Mechanismen des Phänomens dargelegt und so gezeigt werden, dass es für praktischen Antifeminismus keine „Antifeministen“ braucht – oder, anders gesagt: dass keine Feinde braucht, wer solche Verbündeten hat.


Vortrag:  „Antifa, Macker, Patriarchat“  – Antifaschismus und Männlichkeit“

Warum nur will man unbedingt ein Krieger für das Gute sein? So könnte eine Frage lauten, mit der sich nach dem problematischen Verhältnis von autonomem Antifaschismus und Männlichkeit forschen lässt. Einerseits steht die radikale Linke nämlich für das Aufbrechen von Geschlechterrollen und für Antisexismus. Andererseits sind es dann aber doch wieder die immer selben Jungs mit den immer selben Frisuren, die im Antifa-Milieu den Ton angeben – Ausnahmen bestätigen hier, freilich, die Regel. Der Kampf gegen Neonazis erfordert Härte und Aggression, das Bezwingen von Angst und das Eingehen teils erheblicher körperlicher Risiken. Und oft geht er mit bösen gelben Briefen von Ermittlungsbehörden einher. Wer sollte das wollen? In Rückgriff auf männlichkeitstheoretische und sozialpsychologische Erklärungen, die die konflikthafte männliche Sexualität und Identitätsbildung im Patriarchat ernst nimmt, lässt sich zumindest nachvollziehen, welcher subjektive Vorteil sich für die klassische Figur des „Antifa-Mackers“ aus all dem ziehen lässt. Wozu? Sicher nicht, um damit aufzuhören, sich Nazis konsequent in den Weg zu stellen – aber auch nicht, um einfach weiter zu machen wie bisher.

Vortrag: „Rape Culture und Intersektionalität: Wie geschlechtliche und sexuelle Fragen Grenzziehungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden regulieren“

Der Fall Tuğçe Albayrak (2014), Julian Assange im Exil der equadorianischen Botschaft in London (bis 2019) oder der entfesstelte Debattenmob nach der Kölner Silvesternacht (2015/16) – was diese medialen Ereignisse der 2010er Jahre miteinander verbindet, ist die allgemeine Unfähigkeit, sich dem Problem der sexuellen Gewalt angemessen zu stellen. Die vielfältigen Abwehrmechanismen, mit denen nicht bloß Männer auf die Konfrontation mit der Kultur sexueller Dominanz reagieren, sind eine alltägliche Herausforderung für antisexistische Bemühungen. Und: Sie stellen mit der in ihnen steckenden Psychologie auch Schnittstellen dar, anhand derer die tiefe Verwobenheit der Geschlechterhierarchie und kapitalistischer Anforderungen an das Individuum mit anderen Feldern des Ideologischen nachvollzogen werden kann: Rassismus, Antisemitismus, Antiamerikanismus, Antifeminismus. Als Ideologien stellen sie banalerweise sicher, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse bleiben, wie sie sind. Die ihnen anhängenden kulturellen Formationen jedoch sorgen täglich dafür, dass das Leben für viele Menschen mal mehr, mal weniger stark mit der Hölle auf Erden bedroht bleibt. Deshalb taugen die Ahnungen, die in den populärfeministischen Schlagworten „Rape Culture“ und „Intersektionalität“ enthalten sind, zu mehr als bloßer Anti-Diskriminierungsarbeit. Sie verweisen darauf, mit welcher Notwendigkeit im kapitalistischen Patriarchat nicht erkannt wird, was eigentlich offensichtlich ist. Geschlecht, Rassismus, Antiamerikanismus oder Antisemitismus sind aufgrund ihres inneren Zusammenhanges immer auch sexuell.